Der VW Golf GTD wird nach zwei Generationen wieder aus der Mottenkiste geholt. Kann der Kompakte auch in der Klasse der sportlichen Turbodiesel mit 170 bis 185 PS neue Ma?stabe setzen? Unser Vergleichstest gibt die Antwort.
Der Golf GTD hat mit fruheren Versionen des kompakten Selbstzunders nicht mehr viel gemein. Auf die Liste der aussterbenden Worter konnen wir neben "Saugdiesel" und "Wirbelkammer" noch "Vorgluhen" nehmen. Verlangte das Starten eines Diesels fruher Zeit und Konnen - ahnlich der Schaffung perfekter Holzkohleglut beim Grillen -, lasst er sich heute so schnell anknipsen wie ein Elektrogrill.
VW Golf GTD - Das Synonym fur sportliche Selbstzunder
Nichts stimmt mehr ein auf sein trages Wesen. Was auch daran liegt, dass der Selbstzunder seine Tragheit langst aufgegeben hat - in der Kompaktklasse seit 1982, als VW dem 1,6-Liter-Wirbelkammerdiesel mittels eines Garrett-Turboladers und 0,7 bar Ladedruck 70 PS und 133 Nm einhauchte. Das sorgte bei einem Verbrauch von acht Liter/100 km fur solch ungeheure Rasanz (null auf 100 in 14 Sekunden, Vmax 160 km/h), dass der Olbrenner ins aufgespoilerte Kleid des VW Golf I GTI schlupfen und sich analog zu ihm Gran Turismo Diesel nennen durfte. 15 Jahre lang blieb GTD das Synonym fur sportliche Selbstzunder, bis VW ihn 1997 mit der dritten Generation Golf einstellte.
Der Audi A3 Sportback kann dem VW Golf GTD nicht die Show stehlen
Jetzt ist der VW Golf GTD zuruck. Direkteinspritzend, 380 cm? gro?er, mit 0,7 bar mehr Ladedruck, 100 PS starker, 217 Nm kraftiger, 62 km/h schneller und trotzdem 0,7 Liter/100 km sparsamer als im 540 Kilo leichteren VW Golf I. Und fruher soll alles besser gewesen sein? Aus Sicht des VW Golf moglicherweise schon - damals gab es kaum ebenburtige Gegner. Heute mangelt es daran nicht. Und dazu durfen sich wie einst Konzern-Schwestermodelle mit seinem Motor brusten. Wobei der Audi A3 Sportback dem VW Golf zumindest au?erlich nicht die Show stiehlt, sondern auch in der starksten Diesel-Variante seine inzwischen etwas angejahrte Karosserie nicht sportlich aufbrezelt.
Der Audi A3 Sportsback punktet mit hochwertigen Materialien
Audi A3 Sportback, der Seriose: Die anderen mogen ergonomischere Navigationssysteme haben, die Klimaregelung hoher positionieren und seine knickerige Basisausstattung locker uberbieten - er kontert mit hochwertigen Materialien, in jahrelang gereifter Routine makellos verarbeitet, mit dem guten Raumangebot, dem gro?ten Standardkofferraum und der leer wie beladen sorgfaltigsten Federung. Sensible Ohren storen sich jedoch an den deutlichen Abrollgerauschen.
Die fallen umso mehr auf, weil der kultivierte und leise Zweiliter-TDI im A3 Sportback nur sanft knurrt. Richtig in Laune kommt er erst ab 2.000 Touren, zieht dann krafig-homogen voran und dreht - ohne dass es ihm ein besonderes Anliegen ware - bis 4.500/min. Aber meist liegt da schon lange ein hoherer Gang der bei schnellem Schalten leicht hakelnden Sechsgangbox an. Ohnehin ubernimmt der Audi A3 in diesem Quintett die Rolle des komfortablen, hektikfreien Langstreckentourers.
Daran andert auch das Magnetic ride-System nichts, das auf Knopfdruck die Dampfer strafft. Selbst dann federt der Audi A3 Sportback noch manierlich. Fur allzu dynamisches Kurvencarven fehlt es der Lenkung an scharferer Prazision und Ruckmeldung. Obwohl das bei flotter Fahrweise fur etwas mehr Aufwand sorgt, gehort der Audi A3 Sportback zu den sehr fahrsicheren Autos - mit hohem Grenzbereich, feinfuhliger ESP-Regelung und ohne jede Tucke.
Fahrspa? mit dem heckangetriebenen BMW 120d
Ganz so blind vertraut man dem BMW 120d nicht. Das liegt an seinem Antriebs-Layout: Er tragt seinen auch wegen der serienma?igen Start-Stopp-Automatik sehr sparsamen Zweiliter-Diesel langs und reicht dessen Kraft uber sein knochig schaltbares Sechsganggetriebe an die Hinterrader weiter. Von der ganzen Wucht des drehfreudigen und hoch kultivierten Triebwerks lasst sich die Hinterachse mitunter zu kleinen Zuckern verfuhren - ohne dass es zu frivol wird. Daruber wacht das sorgsame ESP.
Gleichzeitig nutzt der BMW 1er alle Vorzuge des Hinterradantriebs-Konzepts perfekt aus: Von keinen Antriebseinflussen belastigt, weist die Lenkung die hochste Prazision auf. Ihre etwas schwergangige Auslegung erhoht ihre Genauigkeit noch - keiner der Konkurrenten lasst sich so exakt auf einer schnellen Kurvenlinie positionieren, keiner gibt mehr Feedback. Mit uberragenden Fahrdynamik-Werten glanzt der BMW 120d zwar nicht, auf der Landstra?e aber bereitet er den meisten Fahrspa?.
XS-Platzverhaltnisse im Fond des BMW 120d
Mittlerweile hat er es auch mit dem Federungskomfort einigerma?en raus. Weit davon entfernt, seine Passagiere zu verwohnen, bolzt er doch nicht mehr uber Unebenheiten, sondern kann mit annehmbarem Langstreckenkomfort aufwarten. Mit uppigen Platzverhaltnissen dagegen nicht - das Konzept fordert Kompromisse. Schlupfen Pilot und Co. in den BMW 120d noch wie in den so oft zitierten ma?geschneiderten Anzug, fuhlen sich Passagiere im Fond, als seien sie in einen Neoprenanzug in Gro?e XS eingezwangt - und brauchten L. Kofferraum? Eher S als M.
Mazda 3 mit serienma?iger Komplettausstattung
Kaum besser ergeht es den Mitfahrern im Mazda 3, obwohl der mit 4,49 Meter einen VW Touran um acht Zentimeter uberragt. Viel macht der Mazda 3 nicht daraus. Auch vorn liegt das Platzangebot nur knapp uber dem des BMW 120d. Zudem engt die flache, stark eingezogene Dachlinie in Kombination mit der zu hohen Position auf den dunn gepolsterten Sitzen das Raumgefuhl ein.
Ohnehin stellt das solide, klapper und premiumfreie Cockpit einen Aufenthaltsort dar, an den man sich gewohnen muss. Das liegt an den vielen Tasten - allein sechs davon kummern sich an dem mit Funktionen uberhauften Lenkrad um die Regelung des Tempomats namens Cruisematic. Dafur fahrt der Mazda 3 serienma?ig eine Komplettausstattung auf: von Klimaautomatik uber Bi-Xenon bis zum gut funktionierenden Spurwechselassistenten.
Der Mazda 3 verbraucht am meisten Kraftstoff im Vergleichstest
Dazu bietet der Mazda 3 2.2 MZR-CD Sports-Line auch den starksten Motor. Der 2,2-Liter-Common-Rail-Diesel ubertrifft die Konkurrenten bei der Leistung etwas und beim Drehmoment deutlich. Bei den Fahrleistungen gelingt ihm das nur in der Elastizitatsmessung, wahrend der hohe Verbrauch enttauscht. Das gilt auch fur die Bremswerte auf unterschiedlich griffiger Fahrbahn, das bei schnellem Schalten hakelige Sechsganggetriebe und den Federungskomfort. Leer rumpelt der Mazda 3 2.2 MZR-CD Sports-Line grob uber Unebenheiten, beladen federt er milder. Schon bei der Fahrdynamikwertung liegt der Mazda 3 deutlich zuruck, auf unebener Fahrbahn gerat er zudem ins Tandeln und lasst sich nur mit vielen Korrekturen an der sto?igen und ruckmeldungsarmen Lenkung auf Kurs halten.
Der Seat Leon 2.0 TDI ist der Slalomkonig
Der Mazda 3 wirkt also nur vordergrundig sportlich, der Seat Leon FR ist das auch hintergrundig und nicht nur mit dem fast schon coupehaft engen Raumgefuhl seiner unubersichtlichen und zugebauten Karosserie. Seiner Kurvengier opfert er gern jeden Federungskomfort und verbei?t sich mit seinen 18-Zoll- Niederquerschnittreifen in die Ideallinie. Seine gefuhlvolle, prazise Servolenkung lasst sich von Antriebseinflussen nicht beeindrucken. So kront sich der Seat Leon 2.0 TDI zum Slalomkonig. Auch bei den anderen Fahrdynamik-Wertungen liegt er vorn.
Im Gegenzug gibt sich der TDI im Seat Leon knurriger und akustisch prasenter, liegt bei Fahrleistungen und Verbrauch aber auf demselben Niveau wie der Audi. Auch im Seat Leon 2.0 FR muss der Drehzahlmesser uber die 2.000er-Marke streichen, bevor der Zweiliter richtig loslegt, und wie im Audi A3 Sportsback fehlt der Sechsgangbox die letzte Prazision.
Der Seat Leon FR punktet mit seinem gunstigen Preis
Dem Cockpit des Seat Leon FR mangelt es eher an feinsinnigem Stil. Klimaregelung und Radio umrahmt etwas, das aussieht wie Aluminium. Und das ist es wohl auch: etwas, das aussieht wie Aluminium. Die Instrumente mit dem mittig positionierten Drehzahlmesser mogen dynamisch wirken, lassen sich aber nicht optimal ablesen. Dagegen punktet der Leon FR mit seinen bequemen, seitenhaltstarken Sitzen, der guten Serienausstattung und mit seinem gunstigen Preis. Und damit hat sich der Seat Leon wie Audi A3 Sportback, BMW 120d und Mazda 3 klar positioniert und gegen den Angriff des VW Golf GTD gerustet.
VW Golf GTD in GTI-Montur
Und dann kommt der VW Golf GTD und macht sie doch alle platt. Die Feststellung, dass er alle Fehler der anderen vermeidet, stattdessen deren Vorzuge bundelt und perfektioniert, klingt viel langweiliger, als das Ergebnis sich darstellt. Trotz voller VW Golf GTI-Montur beherrscht der VW Golf GTD nicht nur das ganze Funktionalitats-Thema so gut, dass er im Alltag niemals nervt, hat nicht nur das beste Platzangebot, einen gro?en Kofferraum und die bequemsten Sitze, sondern vor allem: feingeschliffene Scharfe. Mit dem elektronischen Sperrdifferenzial XDS zieht er sich spurtreu und traktionsstark aus Kurven, in die er sich zuvor ansatzlos geworfen und die er - auch wegen seines im Grenzbereich feinsinnig regelndes ESP - neutral umrundet hat.
Schub ab 2.000 Touren bieten VW Golf GTD, Audi A3 2.0 TDI und Seat Leon
Seine prazise Lenkung verhilft ihm zu einem souveranen, exakten, aber unaufgeregten Handling. An seiner sportlichen Ausrichtung lasst das Fahrwerk keinen Zweifel. Der VW Golf GTD rollt hart ab, und die Federung teilt mitunter herbe Sto?e aus - wirklich ungemutlich wird es aber nie. Die im Testwagen eingebaute elektronische Dampferverstellung mit den drei nicht allzu stark differierenden Modi Comfort, Normal und Sport braucht man nicht unbedingt.
Ebensowenig ubrigens DSG (1.875 Euro Aufpreis), denn das manuelle Sechsganggetriebe schaltet sich spielfrei, exakt und schnell. Es ist zudem harmonisch auf den TDI abgestuft. Der will allerdings nicht nach Diesel klingen und lasst sich elektronisch ein GTI-ahnliches Gerausch komponieren. Der im VW Golf GTD sehr gut gedammte Motor weist ansonsten die gleichen Charaktereigenschaften auf wie in Audi A3 Sportsback und Seat Leon FR: stammiger Schub ab 2.000 Touren, akzeptable Drehfreude, niedriger Verbrauch.
Teurer Kaufpreis fur den VW Golf GTD
Mangel am Golf? Naja, ganz billig ist er nicht. Manche Botschaft ist ubrigens auch durchaus fragwurdig. So sendet er dem Fahrer nach dem Einsteigen im Mitteldisplay die Botschaft: "Zum Starten Kupplung betatigen." Vielleicht waren es doch ganz gute Zeiten, als der VW Golf GTD vor dem Starten dafur noch keine Zeit hatte, sondern mit Vorgluhen beschaftigt war.
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