Der Mercedes SLK will in seiner dritten Auflage mit nachgescharfter Fahrdynamik und verfeinertem Klappdach der Konkurrenz davonfahren. Im Vergleichstest trifft er auf BMW Z4, Audi TT und Porsche Boxster. Vier Roadster mit rund 300 PS und ganz eigenem Charakter.
Sollte einer Ihrer frischluftsuchtigen Beifahrer mal meckern, dass man bei Ihrem Cabrio anhalten muss, um das Verdeck zu offnen, drucken Sie ihm einfach ein paar alte Autozeitschriften in die Hand: So lobte auto motor und sport vor 50 Jahren einen Austin Healey Sprite allein deshalb, weil dessen Verdeck "in einer separaten Tasche im Kofferraum" untergebracht war. Roadster-Dacher wurden damals nicht einfach zugeklappt, sie wurden aufgebaut wie Zelte. Dass "keine hohen Anspruche an die Dichtigkeit" gestellt werden durften, war ebenfalls kein Kritikpunkt. Es verstand sich von selbst.
Und da sich die Sitze bei Regen wie Schwamme vollsaugten, empfahlen die Tester das Mitfuhren wasserdichter Auflagen – zur Vermeidung von Blasenentzundungen.
Dagegen gleichen Roadster-Fahrten von heute reinsten Wellness-Anwendungen. Vor allem im Mercedes SLK: Der Erfinder des neuzeitlichen Klappdach-Cabrios gestattet in seiner dritten Auflage nochmals feinere Zwischentone bei der Dosierung der Elemente. Bei geschlossenem Hardtop lasst sich die Lichtdurchlassigkeit des optionalen Glasdachs variieren. Ein Knopfdruck, und es wird hell im Innenraum des neuen Mercedes SLK. Und auch fur’s Offenfahren gibt es eine Light-Variante: Seitenscheiben sowie Windschott hoch und den aus dem Vorganger bekannten Nackenfon an. Schon ist das Frischluft-Vergnugen nicht mehr an die Laune der Sonne gebunden.
Fur ganzjahrig gute Laune sorgt auch die Karosserie. Obwohl nur minimal gewachsen, knupft der neue Mercedes SLK mit Flugelturer-Kuhler und Huftschwung an die reiche Tradition des Hauses an. Zudem schluckt er deutlich mehr Gepack als bisher – bei geschlossenem Dach fast so viel wie ein VW Golf. Ebenfalls gro? sind die Fortschritte im Cockpit, wo liebevoll gestaltete Instrumente und chromverzierte Bedienelemente den pragmatischen Viano-Charme vertreiben. Fur die Betatigung des Dachmimik-Schalters darf sogar in eine lederbezogene Schmuckschatulle gegriffen werden – weihnachtliche Bescherungs-Gefuhle inklusive.
Auch unterwegs wurden sich die Tester von einst die Augen reiben: Argerten sie sich im Austin Healey auf schlechten Stra?en, nicht "eine andere Route genommen zu haben oder besser gleich zu Hause geblieben zu sein", schalten sie im Mercedes SLK einfach die Dampfer auf weich. Der C-Klasse-Abkommling saugt so kurze Sto?e geschickt auf und lasst sich selbst von tiefen Verwerfungen im Asphalt nicht aus der Ruhe bringen. Fur zusatzliche Entspannung sorgen wirkungsvoll gedammte Fahrgerausche, die sto?freie Lenkung und eine vorbildliche Sicherheitsausstattung. Der gelassene Gleiter ist also nicht zum Actionhelden mutiert, woran auch das neue Dynamikpaket (1.416 Euro) mit zackigerer Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung nichts andert.
Doch obwohl der Mercedes SLK mit starkeren Lenkmanovern durch Kehren gezwungen werden will, durcheilt er sie kaum langsamer als die Konkurrenz. Auch bei den Fahrleistungen muss der 306 PS starke SLK nicht abrei?en lassen, wohl aber in puncto Klang, Drehwilligkeit und Leidenschaft. Fur einen sportlichen Zweisitzer wirkt der 3,5-Liter-V6 uberraschend bieder. Zudem versumpft ein Teil seines Temperaments im zahen Olbad der einzigen Wandlerautomatik dieses Vergleichstests. Ob Mercedes den Direkteinspritzer deshalb unter einer schlichten Kunststoffabdeckung versteckt?
Ganz anders der BMW Z4: Beim Offnen der Endlos-Motorhaube klappt der halbe Vorderwagen nach oben, weshalb der freigelegte Reihensechser seine Fans schon im Stand in Ekstase versetzt. Wie bei seinen Roadster-Urahnen sitzt der Z4-Pilot fast auf der Hinterachse, muss sich jedoch auch beim Reisegepack beschranken. Hinter den Passagieren verstaut, lasst das Klapphardtop im BMW Z4 nur 180 Liter Kofferraum ubrig.
Dafur entschadigen eine Ski-Durchreiche, perfekt geschnittene Sitze, oberklassige Cockpitmaterialien samt bestem Infotainmentsystem mit zig Zusatzfunktionen bis hin zum W-LAN-Hotspot. Doch der eigentliche Hotspot liegt woanders: Schon beim Anlassen knurrt der Dreiliter-Turbo des BMW Z4 wie ein Kampfhund, dem man den Fressnapf geklaut hat.
Und zieht auch so an der Leine. Egal ob 1.000 oder 6.000/min anliegen: Vollgas bedeutet im BMW Z4 immer Schub und jede Menge Arbeit fur das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, das die Zahnrader mit der Ansatzlosigkeit einer Tontauben-Abschussanlage serviert. Beim gemutlichen Cruisen beherrscht es jedoch auch fein verschliffene Gangwechsel, sofern sich sein Pilot nicht in den fummeligen Schaltpaddeln verheddert.
Doch der BMW tut sich schwer, querdynamisch zu halten, was Motor und Optik versprechen: Je enger die Kehren und je schlechter der Belag, desto mehr kommt der Z4 aus dem Tritt. Starke Hubbewegungen und das diffuse Handling fordern volle Konzentration des Piloten, der an der zickigen und sterilen Lenkung alle Hande voll zu tun hat, den nervosen Zweisitzer auf Kurs zu halten. Im Pylonen-Parcours kann der BMW Z4 nicht einmal den komfortablen Mercedes SLKS distanzieren.
Pylonen? Da kommt doch gleich der Porsche Boxster angebraust. Mit Bestzeiten in allen Fahrdynamik-Disziplinen macht der Boxster S deutlich, warum Mittelmotor-Bauweise und Rennsport seit Jahrzehnten zusammengehoren. Seine direkte und gefuhlvolle Lenkung verbindet den Fahrer dabei ebenso spielfrei mit dem Asphalt wie das straffe, elektronisch regelbare Fahrwerk. Und dann dieser Motor. Untenrum zuruckhaltend, lauert der 310 PS starke Boxer ab 4.000/min auf jedes Gaspedalzucken, um den 1.469 Kilogramm leichten Zweisitzer wegzuschnalzen.
Mit 4,9 Sekunden fur den Sprint auf Tempo 100 nimmt der Porsche Boxster dem praktisch gleich starken SLK uber eine Sekunde ab. Das Ganze begleitet vom Jubelgeschrei seines 3,4-Liter-Motors und der zackigen Ubersetzungsarbeit des Siebengang-PDK, das seit seiner Uberarbeitung treffsicherer agiert, sich beim gemutlichen Dahinstreunern jedoch immer noch mal verschluckt.
Mit seiner herb-markanten Art entspricht der Porsche Boxster am ehesten dem puristischen Roadster-Ideal. So halt das dunn gepolsterte Verdeck zwar den Regen ab, nicht jedoch Motor- und Windgerausche. Zudem muss es als Einziges noch von Hand entriegelt werden, surrt dann jedoch noch bis Tempo 50 in seinen Kasten.
Nehmerqualitaten sind im Porsche Boxster auch angesichts der sto?igen Lenkung und des enormen Gerauschpegels bei hohem Tempo gefragt. Im intim geschnittenen Cockpit kommt daruber hinaus rasch die Frage auf, wem eigentlich die Mittelarmlehne gehort, wahrend der zentral angeordnete Motor das Gepackabteil in zwei Luken aufteilt.
Fehlt noch der Audi TTS. Mit zwei Zylindern und uber 30 PS weniger scheint ihm ohnehin die Rolle des Nachzuglers zuzufallen. Doch nur bis die ersten Meter gefahren sind. Dank feurigem Turbo-Schub wuchtet sich der TTS muhelos aus dem Startblock und zieht allradbewaffnet punchig aus den engsten Kehren. Auch klanglich halt der guttural rohrende 2.0 TFSI wacker im Sechszylinder-Orchester mit. Am meisten beeindruckt jedoch, mit welcher Leichtigkeit sich der Audi TTS in Kurven wirft, wie er im Grenzbereich unaufgeregt und kalkulierbar uber alle viere schiebt und sich uber die sto?arme Lenkung, die Befehle einfach umsetzt, statt sie zu interpretieren, auf Kurs halten lasst.
Auch fur das unmittelbar und selbst unter Volllast ruckfrei schaltende Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe des Audi TTS gibt es nur einen Begriff: perfekt. Der Porsche Boxster wedelt zwar noch etwas schneller, lasst sich seine Bestzeiten jedoch hart erarbeiten. Zur Nervenschonung im TTS tragt daruber hinaus das Akustikverdeck bei, das ebenfalls bis Tempo 50 vor- und zurucksurrt und Windgerausche gut gedammt vom schmucken Cockpit fernhalt. Dank bequemen Sportsitzen und elektrisch ausfahrbarem Windschott machen selbst langere Ausfahrten Spa?, nur der nicht allzu gro?e, aber unzerkluftete Kofferraum samt Durchlade setzt dem Aktionsrahmen Grenzen.
Allerdings verrat das antiquiert wirkende, fummelige Navigationsgerat des Audi TTS, dass der seit 2006 gebaute TT nicht mehr der Jungste ist. Doch Alter schutzt vor Siegen nicht. Muss sich der leichtfu?ige TTS im Eigenschaftskapitel noch knapp dem komfortablen Mercedes SLK geschlagen geben, sorgen seine geringeren Kosten fur den Gesamtsieg. Denn ausstattungsbereinigt kommt er einen ganzen Opel Corsa gunstiger als der prazise und kompromisslose Porsche Boxster. Und auch wenn die Tester vor einem halben Jahrhundert mit einem Roadster wie dem BMW Z4 wunschlos glucklich gewesen waren: Im Jahr 2011 verhindert sein diffuses Fahrverhalten, dass der BMW trotz tollem Motor um den Sieg mitfahrt.
Sauger, Turbos, Vier- und Sechszylinder, Letztere in Reihen-, V- und Boxer-Anordnung: Gro?er konnten die konstruktiven Unterschiede im Motorbereich kaum ausfallen. Umso uberraschender, wie wenig sich die Antriebe in der Praxis nehmen. Dank einem bar Ladedruck seines KKK-Turbos kann der Zweiliter im Audi TTS locker mithalten und tont zudem kehlig-frech. Sparsamer ist er jedoch nicht.
Uberhaupt ergeben sich nur geringe Verbrauchsunterschiede. Lediglich der blutleer wirkende V6 im Mercedes SLK genehmigt sich einen Schluck weniger. Mit seinem reaktionsschnellen und drehfreudigen Boxer beschert der Porsche Motorenfans ebenso Gansehaut wie der aufgeladene Reihensechszylinder des BMW Z4, der bei jeder Drehzahl wuchtig loslegt und dabei herrlich sonor trompetet.